BILDUNG: Mieser Personalschlüssel und zu wenig Geld

Eltern und Pädagogen hielten mit ihrem Ärger über die Misere in Kitas und Schulen nicht hinterm Berg

18.09.2009, 11:54 Uhr

FALKENSEE - Um die Misere in ihrer Kindertagesstätte redete Leiterin Marie-Lusie Esser nicht lange herum. „Wir haben ein echtes Personalproblem. Wenn jemand krank oder im Urlaub ist, fehlen mir die Leute. Und viel Zeit für Elterngespräche, Portfolio, Vor- und Nachbereitungen haben wir auch nicht.“ Ina Behrndt setzte noch eins drauf. „Wie sollen wir bei diesem Personalschlüssel Qualität sichern?“

Gleich bündelweise wurden die Landtagskandidaten beim MAZ-Forum in Falkensee am Mittwochabend mit den Problemen in örtlichen Kitas konfrontiert. Die sieben Parteienvertreter sollten aber nicht nur zuhören, sondern vernünftige Lösungen bieten, was nicht jedem leicht fiel. Denn obwohl die Diagnose eindeutig war, schieden sich an der Therapie die politischen Geister.

„Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel, das ist ganz klar“, eröffnete Ursula Nonnemacher die Runde. Ihre Partei habe bei diesem Thema konkrete Vorstellungen. So forderten die Grünen einen Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen von 1:4 (Erzieherin pro Kind) – derzeit liegt er in Brandenburg bei 1:7 – und bei den unter Sechsjährigen von 1:8 (derzeit 1:13). „Im Hort schlagen wir einen Personalschlüssel von eins zu zwölf vor.“ Dass dies womöglich hunderte von Millionen Euro koste, wisse sie. „Aber ich gebe das Geld lieber für Bildung aus als für den Straßenbau.“

CDU-Kandidatin Barbara Richstein gab sich beim Thema Personalschlüssel realistisch. „Eins zu sechs bei Krippenkindern und eins zu zwölf in der Kita, das ist, denke ich, umsetzbar.“ Richstein schlug außerdem vor, ein kostenloses Vorschuljahr einzuführen, außerdem müssten die Weiterbildung für die Erzieherinnen und das Angebot an Krippenplätzen dringend verbessert werden.
 

Bei denen stehe Brandenburg aber schon gut da, konterte Rainer Speer, der für die SPD Rede und Antwort stand. Während bundesweit ab 2013 ein Versorgungsgrad von 35 Prozent angestrebt werde, liege er in Brandenburg bereits jetzt bei 42 Prozent. „Um mehr Geld in die Qualität der Kitas zu stecken, könnten wir das Krippenangebot herunterfahren. Das wollen wir aber nicht“, betonte Speer. Als Landesfinanzminister wies er aber auch auf Fortschritte hin: 150 Millionen Euro umfasse der Landesetat in diesem Jahr für den Bildungsbereich. „Vor sechs Jahren waren es 120 Millionen Euro.“ Ob er das vorhandene Geld für ausreichend hielt oder nicht, ließ Speer offen. Er schloss sich der Forderung nach mehr Personal an, machte aber auch klar, dass dies „so schnell nicht zu schaffen ist“.

Andrea Johlige von den Linken warf der Landesregierung vor, die Qualität in den Kitas seit Jahren auf Kosten der Erzieherinnen zu sichern. „Wären diese nicht so engagiert, sähe es mit der Qualität noch schlechter aus.“ Auch Olaf Karras von der FDP plädierte dafür, die Bildungsstandards zu erhöhen. Man könne das über freie Träger von Kitas und Schulen erreichen. Hans Link von den Freien Wählern sprach den größten Hemmschuh in der Bildungspolitik an: die Geldnot. „Wenn das Geld in der Bildung fehlt, müssen wir es von woanders herholen. Es darf nicht an unseren Kindern gespart werden.“ Dem stimmte Andrea Johlige sofort zu. „Es gibt genug Möglichkeiten Geld zu sparen. Ich sage nur 30 Millionen Euro für die Nordumfahrung.“

Aus dem Publikum kam indes der Vorschlag, das Kinder- und das Elterngeld zu streichen, um diese Summen direkt in die Bildung der Kinder zu investieren. Ursula Nonnemacher begrüßte dies, während Rainer Speer darauf verwies, dass darüber nicht das Land entscheide. Knut Leitert von der Familien-Partei lehnte dies ab. „Wir wollen mehr Elterngeld und dafür lieber ein paar Investitionsruinen weniger in der Brandenburger Landschaft.“

Wiederholt setzte es Kritik am föderalen Bildungssystem. „Es kann doch nicht sein, dass jede erste Klasse ein anderes Buch liest, nur weil wir in jedem Bundesland, ja fast schon an jeder Schule einen anderen Rahmenplan haben“, ärgerte sich Adina De Nobile von der Elterninitiative Brandenburg. Dann wurde sie deutlicher: „Hat denn in diesem Land keiner den Arsch in der Hose, um die tatsächlichen Probleme zu lösen?“ Eine Antwort vom Podium bekam sie nicht. „Wir können keine Geschenke machen“, sagte Barbara Richstein. „Die Ungleichheiten müssen weg“, sagte Andrea Johlige. Und Rainer Speer dämpfte die Erwartungen mit der Bemerkung: „Wir leisten uns in Brandenburg schon jetzt mehr, als wir ausgeben können.“ Zumindest beim Föderalismus war man sich einig: Er schadet im Schulwesen mehr als er nutzt.