MELLENSEE - „Luft und Wasser dürfen nicht verkauft werden“, rief ein Mann unter Beifall. Die Mellenseeerin Tessa Beulshausen empörte sich: „Es macht uns wütend, wenn Vertreter unseres Staates Stück für Stück unsere Heimat verkaufen.“ Im Saal in Mellensee saßen am Mittwoch mehr als 100 Leute. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche hatte zur Podiumsdiskussion eingeladen. Es ging um Möglichkeiten, die Seen im öffentlichen Eigentum zu belassen. Seit Jahren kämpfen der Verein Pro Mellensee, die Gemeinde Am Mellensee und der Landkreis TF gegen die Seenprivatisierung. Bedroht sind der Mellensee, der Neuendorfer See, der Krumme See und der Wünsdorfer See.
Angesichts bevorstehender Landtags- und Bundestagswahlen gelang es, Bundespolitiker für das Thema zu interessieren. Wegen Verpflichtungen in Berlin ließ sich Katherina Reiche von der CDU-Landtagsabgeordneten Barbara Richstein vertreten, die das Gespräch moderierte. Am Tisch saßen außerdem: SPD-Bundestagsabgeordneter Peter Danckert, Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm, der Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium Henry Cordes, Vize-Landrat Holger Lademann und Bürgermeister Frank Broshog.
Mitte 2008 hatte der Bund den Mellensee ans Land übertragen. Doch die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft BVVG legte Klage dagegen ein und will das Gewässer verkaufen. Pro Mellensee sammelte 4000 Unterschriften gegen eine Privatisierung. Er fürchtet um die touristische Entwicklung und den Gewässerschutz. Der geplante öffentliche Bootssteg darf nicht gebaut werden, solange die See-Frage unklar ist. Der Rechtsstreit kann Jahre dauern.
Als Grund des Übels bezeichnete Cornelia Behm den zwischen der BRD und der DDR ausgehandelten Einigungsvertrag: „Wahrscheinlich war es einfach ein Irrtum, Seen mit Fischereipachtverträgen dem Finanzvermögen zuzuschlagen. Aber man kann Gesetze ändern. Gewässer müssen Gemeingut sein. Die ökologische Bedeutung der Gewässer steigt.“
Peter Danckert (SPD) widersprach: „Eine Änderung des Einigungsvertrages ist völlig unrealistisch. Mit solch einer Forderung macht man das Problem nur größer. Ich bin für eine pragmatische Lösung. Die BVVG und ihre Gremien sollten die Klage zurückziehen. Oder das Land legt 400 000 Euro auf den Tisch und kauft dem Bund den See ab. Dass sich zwei Bundesbehörden vor Gericht streiten, ist absurd.“
Henry Cordes vom Bundesfinanzministerium fühlte sich als Buhmann: „Ein Rechtsstreit ist das Normale, um konträre Rechtsauffassungen abzuklären. An der Klage halte ich fest. Es gibt bei uns keine Privatisierungseuphorie. Meine Aufgabe ist es, Bundesvermögen werthaltig anzulegen. Ich sehe aber auch, dass hinter Ihrer Emotionalität wirkliche Sorgen stehen. Wir werden eine Lösung finden.“ Das erste Kaufangebot gehe immer an die Gemeinde.
Darüber konnte Bürgermeister Frank Broshog wegen der prekären Haushaltslage nur den Kopf schütteln. Er verwies auch auf die schlimmen Erfahrungen nach der Privatisierung des Wandlitzsees, wo der neue Besitzer hohe Nutzungsgebühren verlangt. „Die Wasserflächen sind die einzige Entwicklungschance dieser Region“, so Broshog. Vize-Landrat Holger Lademann forderte: „Man muss den Mut haben, Gesetze zu modifizieren, wenn sie nicht der Realität entsprechen.“
Barbara Richstein (CDU) fasste zusammen, dass sich alle am Tisch sitzenden Politiker für einen Seen-Privatisierungsstopp einsetzen wollen.
Ein Bürger meinte: „Erst hat man unsere Region viele Jahre durch die Flughafen-Entscheidung ausgebremst – und jetzt durch den Seen-Rechtsstreit. Die Bundespolitik hat die Aufgabe, endlich etwas für diese Region zu tun!“