FALKENSEE - Gut 150 Eltern, Erzieher und Lokalpolitiker füllten am Donnerstag den Rathaussaal. Dort stellte sich erstmals die Kita-Initiative Brandenburg vor. Sie fordert mehr Zeit, mehr Zuwendung und mehr Bildung für die Kinder in den Kitas – unter anderem durch eine Verbesserung des Personalschlüssels.
Der Leidensdruck ist groß, denn obwohl Brandenburg einen Spitzenplatz hinsichtlich des Versorgungsgrades bei Kita-Plätzen belegt (43 Prozent bei den unter Drei-, 97 Prozent bei den Drei- bis Sechsjährigen), drohen die Kitas zu Bewahranstalten zu verkommen. Grund ist der rigide Personalschlüssel, der zur Überlastung der Erzieher führt, den Krankenstand erhöht und alle Konzepte über den Haufen wirft.
Im Rathaus hatten die Veranstalter das sehr anschaulich demonstriert, indem sie Pappkartons aufeinanderstapelten. Jeder stand für ein andere Aufgabe, die eine Erzieherin zu erfüllen hat. Der Basisbaustein aber war deren Gesundheit. Die ist bei vielen stark angegriffen. Als der unterste Karton weggezogen wurde, stürzte das ganze System in sich zusammen.
Eltern beklagten, dass sie immer häufiger gebeten werden, ihre Kinder zu Hause zu lassen, weil Erzieherinnen krank sind. „Ohne die Hilfe der Eltern wäre unsere Kita noch öfter geschlossen worden“, sagte Kerstin van Raemdonck, Leiterin der „Villa Kleeblatt“. „Sie übernahmen die Schlafwache, halfen beim An- und Ausziehen. Es kann doch nicht sein, dass ich erst nach sechs Wochen Ersatz für eine kranke Kollegin bekomme. Da sind unsere Mitarbeiterinnen kaputtgespielt!“ Sie schlug vor, mehr Ein-Euro-Kräfte einzusetzen, mit denen ihre Kita gute Erfahrungen gemacht hatte. Eine andere Leiterin mahnte die Fürsorgepflicht des Landes für seine Erzieher an: „Burn out, Tinnitus – unsere Leute werden verschlissen!“ Es kam der Vorschlag, eine feste Einsatzgruppe zu bilden, die immer dann einspringt, wenn Mitarbeiter ausfallen.
Marie-Luise Esser, die Leiterin der Kita „Zum guten Hirten“, machte darauf aufmerksam, was das Manko für die Kinder bedeutet. In ihrem Haus werden 90 Kinder durch 12 Teilzeitkräfte betreut – Vollzeit gibt der Personalschlüssel nicht her. Urlaub, Krankheit, Weiterbildung beschneiden die Zeit für die tatsächliche Zuwendung zum Kind. „Wenn wir mehr mit ihnen reden könnten, wäre das die beste Sprachförderung. Kinder brauchen Bindung, um sich bilden zu können!“
Die CDU-Landtagsabgeordnete Barbara Richstein räumte ein, dass sich Brandenburg lange auf seinem guten Platzangebot ausgeruht habe. Angelika Krüger-Leißner, SPD-Bundestagsabgeordnete, versuchte deutlich zu machen, dass etwas Revolutionäres passiert sei, indem der Bund mit vier Milliarden Euro den Ausbau der Kitas fördert, was eigentlich Ländersache ist. Außerdem werde der Bund bis 2013 mit 1,85 Milliarden Euro auch die Betriebskosten mitfinanzieren. „Einen Teil des Geldes sollte man fürs Personal einsetzen“, so ihre Empfehlung. Die Antworten der Politikerinnen blieben für die Gäste im Saal unbefriedigend. „Wir sind doch kein armes Land“, sagte eine Mutter. „Warum können andere Länder eine gute Betreuung sichern?“ Und eine andere empfahl wütend: „Am besten, wir melden Insolvenz an, dann hilft uns der Staat.“