Lebenserfahrung der Älteren besser nutzen | RUNDSCHAU-Gespräch mit CDU-Landes-Vize Barbara Richstein

04.05.2006, 09:33 Uhr

Brandenburgs stellvertretende CDU-Landeschefin Barbara Richstein fordert ihre Partei und die Koalition in Potsdam auf, „die Lebenserfahrung und Kompetenz älterer Menschen im Lande besser für die Gesellschaft zu nutzen“. Dies müsse sich im neuen CDU-Programm auf Landesebene widerspiegeln, betonte die christdemokratische Landtagsabgeordnete im RUNDSCHAU-Redaktionsgespräch.

„Feststeht, wir sind in Brandenburg mit unseren Konzepten bei den jüngsten Wahlen nicht angekommen“, resümiert Richstein und schlussfolgert, dass ihre Partei besonders im Bereich Senioren- und Familienpolitik Defizite habe und „Antworten auf die Realitäten finden muss“. 70 Prozent der Senioren seien ehrenamtlich tätig, sie seien fitter denn je, „aber wir geben ihnen zu wenig Chancen, wir müssen sie stärker mitnehmen“. Auch deshalb müsse in der Senioren-Woche darüber gesprochen werden, „wie Potenziale älterer Menschen für die Gesellschaft zu nutzen sind“.
Die CDU-Politikerin unterbreitet in der Phase der Erarbeitung des neuen Programms ihrer Partei, das am 11. November in Frankfurt (Oder) beschlossen werden soll, konkrete Angebote. So müsse die Idee der Bundespartei, in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt ein Mehr-Generationen-Haus einzurichten, umgesetzt werden. Auch sollten Voraussetzungen geschaffen werden, dass Ältere für Jüngere Patenschaften übernehmen können. „Und: Senioren wollen sich selbst organisieren“, erläutert Rich-stein. „Im Vergleich zur SPD setzen wir hier auf weniger Staat.“
„Dass in den neuen Bundesländern mehr als jedes zweite Kind nicht in eine Ehe hineingeboren wird, gehört nun mal zur Realität. Die Menschen entscheiden das so. Und wir müssen diese Entwicklung akzeptieren. Wir können uns die Welt nicht backen, wie wir sie wollen“, betonte Richstein. Deshalb benötige die Wertevermittlung auch außerhalb der traditionellen Familie mehr Aufmerksamkeit. „Wir diskutieren in der Programmdebatte über ein kostenloses letztes Kita-Jahr“, erklärt die CDU-Politikerin. Dazu gehöre, „Bildungsstandards für die Kita festzulegen“. Diese müssten nach Richsteins Ansicht an Freiheit und Gerechtigkeit ausgerichtet sein. „Das heißt für mich, sich am christlichen Menschenbild zu orientieren.“
Zu dem Streit zwischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Generalbundesanwalt Kai Nehm im Fall des in Potsdam lebensgefährlich verletzten Deutsch-Äthiopiers stellt sich Richstein vor den CDU-Landeschef. „Der Generalbundesanwalt kann den Fall rein rechtlich an sich ziehen – er muss es aber nicht. Die Gefahrenlage für das Land ist dabei abzuwägen“, betont die Ex-Justizministerin. „Minister Schönbohm ging es mit seinem Hinweis darum, Brandenburg zu schützen. Davor, wie wir von außen gesehen werden könnten. Er wollte deutlich machen: Wir sind kein braunes Brandenburg. Und das unterstreiche ich“, sagt Richstein.
Dennoch räumt die Landtagsabgeordnete vor dem Hintergrund des „Falls Potsdam“ ein, dass Brandenburg ein rechtsextremes Problem habe. Wie die Stadt Potsdam nach dem Überfall zunächst mit einer Demonstration reagiert habe, sei die richtige Antwort gewesen. Auch wenn sich die Ermittlungen inzwischen in eine andere Richtung bewegten. „Davon abgesehen müssen wir extremistischen Tätern aber immer wieder zeigen, dass sie außerhalb der Gesellschaft stehen“, erklärt Richstein und betont, dass in Brandenburgs Bildungspolitik nach der Wende gerade auf diesem Gebiet etwas schief gelaufen sei. „Vor allem wurde zu lange herumexperimentiert.“ Inzwischen werde mehr zur Aufklärung über den Rechtsextremismus getan, „auch Richter und Anwälte gehen an Schulen“.
Die gegenwärtige Leitbild-Debatte, die in eine europäische Metropolregion Berlin-Brandenburg münden soll, hält die europapolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion „für den richtigen Ansatz. Denn Berlin und Brandenburg gehören ganz einfach zusammen, ohne die äußeren Entwicklungsräume dabei abzuhängen.“
Richstein ist aber auch dafür, bei der Fusion aufs Tempo zu drücken: „Zur Bundestagswahl 2009 sollen die Bürger beider Länder über eine Länder-Ehe abstimmen. Wir brauchen einen festen Termin, um nach einer hoffentlich positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den Berliner Schulden Nägel mit Köpfen zu machen.“