In die neu aufgeflammte Debatte, ob Potsdam oder Berlin die Hauptstadt eines gemeinsamen Bundeslandes werden soll, schalten sich mahnende Stimmen außerhalb der Politik ein. Sie warnen davor, die Länderfusion zu zerreden, für die gerade allmählich die Zustimmung in Brandenburg wächst.
„Diese Diskussion bringt alle nur wieder weg vom gemeinsamen Fusionsziel“, sagte gestern Peter Egenter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Aus Sicht der Wirtschaft sei die Frage geklärt, dass Potsdam Hauptstadt, Sitz von Landtag und Regierung, werde.Egenter verwies auf eine aktuelle Umfrage der Brandenburger und Berliner IHK, nach der sich 77 Prozent der Berliner und 60 Prozent der Brandenburger Unternehmen für die Länderfusion aussprechen. Nach der Umfrage versprechen sich die Firmen von einem gemeinsamen Land vor allem Bürokratieabbau (80 Prozent) und eine bessere Infrastruktur (63 Prozent). Auf die Zusammenarbeit, auf die Fusion sollte man sich konzentrieren, so Egenter, „der aktuelle Schlagabtausch nützt niemanden.“
Ähnlich äußerte sich auch Karl-Ludwig Böttcher, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Jedes Signal, was eine Zustimmung der Brandenburger für die Länderfusion erschwere, sei schädlich, so Böttcher. Durch Vorstöße wie den des Berliner Parlamentspräsidenten Walter Momper, das künftige Parlament im Preußischen Landtag unterzubringen (die RUNDSCHAU berichtete), würden in Brandenburg „alte Befindlichkeiten gegen Berlin neu aufbrechen.“ Das Mompers Position von CDU-Politikern und dem SPD-Fraktionschef Müller geteilt werde, mache die Sache nicht besser. Brandenburgs Politiker wie CDU-Generalsekretär Sven Petke und die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Barbara Richstein hingegen beharren auf Potsdam.
Böttcher wies auf einen anderen Umstand hin, der bislang von der Politik beider Länder noch ausgeblendet wird: Die demographische Entwicklung Brandenburgs, die Abnahme der Bevölkerung und damit auch der Steuerzahler, zwinge zu neuen Strukturen. „Eine Fusion von Berlin und Brandenburg ist das Mindeste – und eigentlich schon zu klein“, so Böttcher. Sinnvoller sei es, auch Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einzubeziehen, da sie von den Bevölkerungsrückgängen noch stärker betroffen und auf Dauer nicht lebensfähig seien. Diese „Nordmark“ hatte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) ins Spiel gebracht.