Falkensees Stadtverordnete stimmten nach Grundsatzdebatte mit knapper Mehrheit für Stasi-Check

POLITIK: Verdacht und Verdruss

26.03.2010, 13:16 Uhr | Märkische Allgemeine Zeitung / Stefan Kuschel

FALKENSEE - Am Ende machte sich Erleichterung breit. Alle waren nach stundenlangem Schlagabtausch einfach nur erschöpft: Stadtverordnete, Verwaltungsmitarbeiter, Bürgermeister, Gäste. Nach einer Debatte, die geprägt war von vielen emotionalen Redebeiträgen und teils heftigen Kontroversen, haben Falkensees Volksvertreter Mittwochabend mit knapper Mehrheit von 18 zu 15 Stimmen eine Grundsatzentscheidung zum Thema Stasi gefasst.

Es soll offiziell geprüft werden, ob sie selbst, der Bürgermeister und die Wahlbeamten der Stadt womöglich mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR zusammengearbeitet haben. Der Antrag war von den Grünen, Teilen des ABü, der CDU und der FDP gestellt worden. SPD und Linke stimmten dagegen oder enthielten sich. Zwar sei man im Prinzip für diese Überprüfung, sagte SPD-Fraktionschef Udo Appenzeller. Die SPD verweigerte sich aber nicht zuletzt deshalb, weil sie sich nicht hatte durchsetzen können mit ihrer Forderung, dieses umstrittene Kapitel in Falkensee danach endgültig zu beenden.

Ursula Nonnemacher, Chefin der Fraktion Grüne / ABü, verwies darauf, dass ein Antrag der Grünen zur Stasi-Überprüfung im Landtag einstimmig gefasst worden sei. „Die Debatte ist im ganzen Land im Gange – Falkensee ist keine Insel, wieso sollte das hier also anders sein?“ CDU-Fraktionschefin Barbara Richstein fügte an, die Stasi-Debatte müsste heute nicht in dieser Art in Brandenburg geführt werden, wenn die Vergangenheit von Mandatsträgern seit 1990 konsequent durchleuchtet worden wäre. Udo Appenzeller konterte: „Was wollen wir denn anfangen mit den Namen, wenn es welche geben sollte? Das schafft viele Probleme.“

An diesem Punkt knüpfte Jürgen Sielaff (ABü) an, der der den Stasi-Antrag ablehnte: „Die größten Sünder liegen längst alle in der Sonne, und die kleinen werden ständig vor die Flinte gezogen – das ist nicht meine Art.“ Er wolle nun nicht „neues Unrecht“ schaffen und lehne es ab, Sündenböcke in den anderen Fraktionen zu suchen. Ähnlich argumentierte Lutz Krause, der als Parteiloser in der Fraktion der Linken sitzt: „Die Bundesrepublik hat ein defizitäres Verhältnis zur moralischen Aufarbeitung – warum werden Ostdeutsche immer unter Verdacht gestellt?“

Deutlich gegen eine Überprüfung sprach sich auch Bürgermeister Heiko Müller (SPD) aus. Es gebe viele komplizierte Fälle im Graubereich: „Wer maßt sich heute an zu beurteilen, ob jemand damals in einer Bedrohungssituation etwas gemacht hat?“ Er halte eine Überprüfung für falsch, weil das suggeriere, dass ein Verdacht bestehe – wer sich weigere, sei automatisch verdächtig. Heiko Müller: „Sie aus dem Westen können nicht nachvollziehen, warum wir uns als Ossis dann so betroffen fühlen.“ Rosemarie Thürling, Fraktionschefin der Linken, sagte, es gebe aus ihrer Sicht „unter DDR-Bürgen keine Diskussion zu diesem Thema – es gibt aber viele Menschen, denen es reicht“. Die Linkspartei sei an einer lückenlosen Aufklärung der Arbeit des MfS interessiert. Es müsse allerdings Schluss sein damit, „Menschen an den Pranger zu stellen“.

Gerd Gunkel (Grüne) entgegnete, er hege keinen Verdacht gegen irgendjemanden. „Das einzige, was zählt, ist Offenheit.“ Sein Parteifreund Dietmar Strehl: „Wenn jetzt der Eindruck entsteht, wir Grüne hätten beim Thema Stasi Schaum vor dem Mund, ist das Quatsch. Wir haben eine Überprüfung für selbstverständlich gehalten.“

Jürgen Sielaff verkündete nach der Abstimmung, er untersage es dem SVV-Vorsitzenden, seine Daten einzuholen. Ruth Palik (SPD) hatte schon vor einigen Wochen ihr Mandat zurückgegeben. Sie sei es leid und halte es für überzogen, sich erneut von einer Behörde bescheinigen lassen zu müssen, dass sie auch vor 1990 ein ganz normaler Mensch gewesen sei. Einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden fügte sie das Ergebnis ihrer Stasi-Überprüfung bei. Fazit: Hinweise auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für die Stai liegen nicht vor.