Debatte mit zwei Falkenseer Landtagsabgeordneten zum Thema Chancengleichheit

FRAUENWOCHE: Mit dem ersten Kind ausgebremst

12.03.2011, 10:42 Uhr | Märkische Allgemeine Zeitung / Hiltrud Müller

FALKENSEE - Sie sind sehr verschieden, die beiden Falkenseer Landtagsabgeordneten. Während die Ärztin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen, drei Kinder) als junge Frau in lila Latzhose vor dem Frauenzentrum ebenso lautstark wie siegesgewiss Frauenrechte einklagte, genoss die Juristin Barbara Richstein (CDU, kinderlos) bereits mit stiller Genugtuung das Erreichte. In diesem Falle das Frühstück, das ihr ihr Freund ans Bett brachte.

„Was willst du denn mit so einem Waschlappen?“, hatte ihr Vater damals die galante Geste kommentiert und damit klar gemacht, welches Verständnis man in konservativen Kreisen von den Geschlechterrollen pflegte. „Inzwischen sieht er die Welt etwas anders“, verteidigte Barbara Richstein ihren alten Herren, der im Laufe der Zeit zur Kenntnis nehmen musste, dass seine Tochter durchaus nicht das Heimchen am Herd geben wird. Sie wurde Anwältin, ging in die Politik und war von 2002 bis 2004 sogar Ministerin für Justiz und Europaangelegenheiten in Brandenburg.

Am Donnerstag war sie am Falkenseer Frauenstammtisch zu Gast, den Ursula Nonnemacher initiiert hatte und der diesmal der Frage nachging: Wie gleichberechtigt leben wir Frauen hier und heute? Auch bei dieser siebten Stammtisch-Auflage war in der Wirtschaft „Zum Julius“ in Finkenkrug kein Stuhl frei geblieben.

Gastgeberin Nonnemacher stellte Fakten in den Raum: 55 Prozent der Abiturienten sind weiblich, während zwei Drittel aller Schulabbrecher Jungen sind. An den Unis bringen die Mädchen die besseren Leistungen. „Doch Ende 20 haben plötzlich die Männer die Nase vorn. So bald sich Kinder einstellen, fallen die Frauen in ihre traditionelle Rolle zurück und verzichten auf den Job.“ Und während nur sechs Prozent der Väter in Teilzeit arbeiten, sind es 75 Prozent der Mütter. „Diese Löcher in der Erwerbsbiografie“, konstatierte Ursula Nonnemacher, „ziehen ganz kleine Renten nach sich.“ Das sei weit schlimmer als der Umstand, dass sich Frauen in der Politik rar machen.

Barbara Richstein berichtete von einem Gespräch, das sie als Justizministerin mit einer Richterin geführt hatte, die zur Direktorin ernannt werden sollte. Die lehnte dankend ab: „Nein, ich habe Familie.“ Von einem Mann hatte Richstein einen solchen Satz noch nie gehört.

„Aber ist es denn nicht normal, dass ich mich als Frau meinen Kindern widmen will?“, wirft Marianne Schröder aus Falkensee ein. Sie hat beim Wasserverband Nauen verkürzt gearbeitet und war dennoch für eine Leitungsfunktion würdig befunden worden. Sie genoss beides – Verantwortung im Beruf und Zeit für die Familie.

Auch Ulrike Legner-Bundschuh stellte ihrerseits klar: „Ich muss nicht alles wollen müssen, was Männer wollen. Ich will nicht zur Bundeswehr und ich will auch nicht zu jenen Schlipsträgern gehören, die unser ganzes Geld verbrennen. Ich will in bestimmten Ligen nicht mitspielen.“ Barbara Richstein pflichtete ihr bei: „Wichtig ist, dass man immer bei sich selbst ist.“ Das aber sind viele Frauen offenbar nicht. Sie wollen sich nicht mehr abhetzen, weil die Kita um 17 Uhr schließt, obwohl die Arbeitszeiten ständig ausgedehnt werden. Sie sähen gerne ihren harten Job als Kassiererin, als Kranken- oder Altenpflegerin besser bezahlt. „Aber vielleicht wird sich in Zukunft unter den demografischen Zwängen einiges ändern“, mutmaßt jemand in der Runde. Immerhin sähe man jetzt schon Männer bei Kaisers an der Kasse sitzen oder Schuhe verkaufen. „Und wenn wir erst genug Kindergärtner und Altenpfleger haben, wäre zumindest die Lohndiskussion ausgestanden.“