Polizeireform stellt bisherige Strukturpläne im Havelland auf den Kopf / Kritik von allen Seiten

SICHERHEIT: Falkensee schwächer, Nauen stärker

02.04.2011, 09:46 Uhr | Märkische Allgemeine Zeitung / Stefan Kuschel

FALKENSEE / NAUEN - Der Leiter des Polizei-Schutzbereichs Havelland ist ein besonnener Mann. Deshalb hält sich Jörg Barthel zurück mit reißerischen Äußerungen. Nach diesem Prinzip verfährt er auch jetzt, da weitere Details aus dem behördenintern erstellen Reformkonzept „Polizei 2020“ bekannt geworden sind. Jörg Barthel sagt nur: „Ich bin einigermaßen überrascht von diesen Vorschlägen, denn sie entsprechen nicht dem, worauf wir hier in den letzten Jahren hingearbeitet haben.“ Man könnte auch sagen: Sie sind gleichbedeutend mit einer Kehrtwende.

Nach den Vorschlägen im Reformkonzept, das gestern an Innenminister Dietmar Woidke (SPD) übergeben wurde und über das der Landtag im Juni befinden muss, soll nun Nauen und nicht Falkensee Sitz einer von 16 neuen Inspektionen werden. Eine offizielle Begründung dafür gibt es bisher nicht. Da aber die so genannten Aufbaustäbe in ihrem Konzept-Entwurf auch die Liegenschaften bewertet haben, schneidet Nauen jedenfalls in diesem Punkt besser ab. Dort gibt es intakte Gebäude, in Falkensee nur ein Sammelsurium aus maroden Baracken und Außenstellen. Ein moderner Neubau, der auch die komplette Führungsebene beherbergen soll, ist zwar seit langem geplant. In welchem Umfang er aber gebaut wird, ist offen.

Die Inspektionen treten an die Stelle der bisherigen 15 Schutzbereiche (eine neue Inspektion kommt am Flughafen BBI in Schönefeld hinzu). Sie sind dann jeweils die höchste regionale Führungsebene der Polizei unterhalb der vier künftigen Direktionen, außerdem werden sie 24 Stunden täglich zugänglich sein. Falkensee und auch Rathenow, wo es bisher Polizeiwachen mit 24-Stunden-Betrieb gibt, bliebe demnach nur der Status von Revieren. Und das, wie es heißt, mit „bedarfsabhängigen Öffnungszeiten“ in der Regel von 8 bis 20 Uhr.

Schutzbereichsleiter Jörg Barthel geht davon aus, „dass das noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist“. Falls aber doch, müsse es im Havelland „wieder eine Rolle rückwärts geben“. Der 48-Jährige bezieht sich auf den Beschluss des damaligen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) im Jahr 2006. Er besagte, dass die Wache Nauen geschlossen und die Leitung des Schutzbereichs Havelland sowie das Gros der Beamten nach Falkensee verlagert werden – unterhalb der Leitung ist der Personal-Umzug inzwischen schon weitgehend vollzogen. In der Nauener Wache arbeiten nur noch acht Beamte, in Falkensee hingegen allein 75 im Wachen-Wechseldienst, Revierpolizisten und Kriminalpolizei kommen hinzu.

Am dicht besiedelten Berlinrand, so die Argumentation vor fünf Jahren, sei mit weiterem Zuzug und steigenden Kriminalitätsraten zu rechnen. Beides trifft zu – allein 50 Prozent der Einsätze im Wachenbereich Falkensee (zu dem auch Dallgow-Döberitz, Schönwalde-Glien und Brieselang gehören) geschehen in der Gartenstadt. Trotzdem soll nun Nauen größter Polizeistandort werden.

Bürgermeister Heiko Müller wurde gestern deutlich. „Ich halte das politisch und polizeitaktisch für falsch.“ In der Region Falkensee lebten rund 70 000 Menschen, „und es gibt hier die massivste Entwicklung im Havelland“. Deshalb sei nach aller Erfahrung mit höheren Kriminalitätsraten zu rechnen. Hinzu komme die Nähe zu Berlin. Was den Wachenneubau angeht, gibt sich Müller indes optimistisch. „Der Bau wird im Land als unumgänglich betrachtet, er ist unumstritten.“

Der Bürgermeister bezweifelt, ob es ökonomisch richtig wäre, in Falkensee womöglich kleiner zu bauen als geplant und parallel die in Nauen vorhandenen Gebäude weiter zu nutzen. Das verursache Reibungsverluste und zusätzliche Kosten. In Abstimmung mit dem Kreis soll versucht werden, auf Landesebene den Druck zugunsten Falkensees zu erhöhen und die „Pläne besser an der Polizeiarbeit zu orientieren“.

Kritik an den Vorschlägen zur Polizeireform kam gestern auch von den beiden Falkenseer Landtagsabgeordneten. „Dass die nach der Bevölkerungsprognose bald fünftgrößte Stadt Brandenburgs ohne 24-Stunden-Wache und ohne Kriminalpolizei dastehen wird, ist deprimierend“, teilte Ursula Nonnemacher (Grüne) mit. Sie will sich für Korrekturen einsetzen. Barbara Richstein (CDU) sagte: „Die Lage erfordert es, dass die Polizei in Falkensee mit einer Inspektion ihren Schwerpunkt hat.“ Sie sei sicher, dass auch der Innenminister diese Notwendigkeit erkenne.