Savoir-vivre bei deutschen Brezeln

24.01.2013, 11:30 Uhr | Märkische Oderzeitung/Heike Weissapfel

Birkenwerder (MZV) Nicht nur in Berlin wird der Élysée-Vertrag groß gefeiert. In Birkenwerder ist der 50. Jahrestag des Freundschaftsabkommens weniger staatstragend, aber ein Anlass zum Feiern und zum ernsthaften Gespräch. Eine Podiumsdiskussion fand am Mittwoch etwa 50 Zuhörer.

Französinnen sind eleganter als alle anderen Frauen - ein Klischee? Auch Angelika Krüger-Leißner (SPD-Bundestagsabgeordnete), Barbara Richstein (CDU-Landestagsabgeordnete) und Bettina Mechner (Konrektorin an der Schildower Europaschule) erscheinen top-gestylt und attraktiv. Deutsche sind pünktlich - eine (positive) Verallgemeinerung? Dabei beginnt der Abend im Birkenwerders Rathaus doch mit leichter Verspätung. Also alles Unsinn?

Zumindest positive Vorurteile schaden nicht unbedingt, meint die Historikerin Dr. Christiane Kohser-Spohn in ihrem Vortrag. Stereotype seien unverzichtbar für eine schnelle kollektive Einordnung und stellten eine normale Vereinfachung der Beurteilung dar. Das Bild vom "tüchtigen Deutschen" kurbelt den Export an, und das sprichwörtliche "Savoir-vivre", die "feine Lebensart" des Franzosen, lockt Touristen ins Land.

Negative Vorurteile könnten durch freundliche Kontakte und gemeinsame Ziele abgebaut werden - zahlreich sollten diese sein, sonst sind sie Ausnahmen und werden als solche heruntergespielt, sagt die Französin, die seit 1994 in Birkenwerder zuhause ist. Sie nennt ein krasses Beispiel aus alten deutsch-französischen (Kriegs-)Zeiten, die heute zum Glück überholt sind. Die These, nur 30 Milliliter Urin eines Deutschen würden genügen, eine Maus zu töten, während dafür 45 Milliliter französischer Urin nötig sein, wurde wissenschaftlich verfolgt. Was heute grotesk erscheint, war im 19. Jahrhundert bitter ernst gemeint und verdeutlicht, dass die Franzosen Deutsche (respektive Preußen) für höchst aggressive Zeitgenossen hielten.

Das war damals. Dagegen mangelt es an freundlichen Kontakten und gemeinsamen Zielen in Birkenwerder keineswegs. Moderator Thomas Steins will wissen, wie deutsch-französische Kooperation und Freundschaft auf lokaler Ebene weiter wachsen können. Bettina Mechner beschreibt die Vorteile ihrer Europaschule, an der die Kinder frühzeitig einen Eindruck anderer Ländern bekommen.

"Deutschland und Frankreich müssen zusammenarbeiten, um die EU zu beeinflussen", ist Dr. Klaus Nutzenberger vom Deutsch-Französischen Ausschuss im Rat der Gemeinden und Regionen Europas überzeugt. Die beiden großen Länder seien die treibenden Kräfte, die sich auf Augenhöhe begegnen könnten. Barbara Richstein sieht die Zukunft in einer französisch-deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Angelika Krüger Leißner setzt sich für deutsch-französische Filmproduktionen ein. Robin Miska vom Partnerschaftskomitee regt Europa-Unterricht in Oberschulen an. In der Diskussion warnt Peter Ligner (Linke) davor, zu glauben, einmal ad acta gelegte Ressentiments könnten nie wieder aufleben.

In Birkenwerder an diesem Abend nicht: Der klingt mit einer perfekten Melange aus Rotwein und Brezeln nach mehr als drei Stunden fröhlich aus.