Wecker im Wind
FALKENSEE - Manch Anwohner schreckte verstört aus dem nachmittäglichen Dösen am offenen Fenster auf: Nanu, Kinder, die Krach machen? Dürfen die das denn? Passt denn gar keiner auf die Rasselbande auf? Die Sorge war unbegründet, denn die Krachmacher wurden zuhauf von Erziehern und Eltern begleitet, als am gestrigen Aktionstag Vertreter aller Falkenseer Kitas mit einem Sternmarsch mehr Zeit für Kita-Kinder forderten.
Rasseln, Pfeifen und viele selbst gebastelte und bemalte Uhren nutzten die etwa 250 kleinen und großen Demonstranten, als sie am Nachmittag zur Stadthalle strömten. Und weil das Motto der landesweiten Aktionswoche der Kita-Initiative Brandenburg „Es ist 5 vor 12“ hieß, hatten ganz pfiffige Teilnehmer sogar echte Wecker mitgebracht, die der Landesregierung zumindest aus der Ferne in den Ohren klingeln sollten. Auf Plakaten schauten Kinderaugen in Richtung Potsdam. „Was sind wir der Gesellschaft wert?“, stand darunter zu lesen.
Wie es in ihrer WirbelwindKita läuft, schilderte Monika Rieger. „Unser Altersschnitt liegt bei 48 Jahren, viele Kolleginnen sind seit 30 Jahren dabei“, sagte die Kita-Leiterin. Plätze für junge Kollegen gebe der Betreuungsschlüssel aber nicht her. Weil in den letzten Jahren neue Anforderungen wie umfangreiche Dokumentationen, Qualitätsmanagement und mindestens jährliche Gespräche mit den Eltern über die Entwicklung ihrer Kleinen auf die Erzieher zugekommen sind, reiche die Zeit für Vor- und Nachbereitung bei Weitem nicht mehr aus. Deshalb die Forderung an Platzeck & Co: Jedem Erzieher soll das Kita-Gesetz pro Woche fünf Stunden für Aufgaben außerhalb der Gruppen bewilligen. Außerdem sollen Erzieher, die Kitas mit mehr als 100 Kindern leiten, ganz von der Arbeit in den Gruppen freigestellt werden. Falkensees Bürgermeister Heiko Müller (SPD) zeigte Verständnis für die Forderungen. „Als Stadt sehen wir dieses Engagement mit einem gewissen Wohlwollen, denn wer sich nicht zu Wort meldet, wird nicht gehört werden“, sagte er. Dennoch dürfe das Finanzielle nicht außer Acht gelassen werden. Wer mehr Geld für die Kitas fordere, müsse eigentlich auch gleich sagen, an welcher anderen Stelle dafür gespart werden solle. CDU-Landespolitikerin Barbara Richstein war auch gekommen. „Die Ansprüche der Erzieher sind absolut berechtigt“, sagte die Falkenseerin. „Die Landesregierung muss ihnen Rechnung tragen.“
Silke Liebert und Heike Kossert hatten den Sternmarsch maßgeblich organisiert. Sie freuten sich über die große Resonanz. „Unsere Eltern haben unsere Not begriffen und zeigen viel Verständnis“, sagte Liebert, die die „Kita am See“ leitet, „wenn sie können, arbeiten sie sogar als helfende Hand mit.“ Denn natürlich bestehe der Betreuungschlüssel nur auf dem Papier. Urlaub und hoher Krankenstand würden häufig dafür sorgen, dass eine Erzieherin viel mehr als zwölf Kinder zu beaufsichtigen hätte. „Am Abend frage ich mich oft, ob ich überhaupt mal nur ein Kind auf dem Schoß gehabt habe“, schilderte sie ihre Lage. Heike Kossert, Leiterin der Kita „Leipziger Allerlei“, hält die Forderung nach Freistellung für Leitungsaufgaben für legitim. „Das ist eine ganz kleine Sache“ sagte sie.